Final Spinal! (Week 9)

Die 9. Woche des Trainings war nicht nur die letzte, sondern auch die kürzeste – nach Vorverlegung der Graduation auf Freitag (aufgrund der International Asana Championships am Wochenende) war klar dass Donnerstag abend unsere letzte Yogaklasse stattfinden würde; ein Moment den wir – bei aller Liebe zu Bikram Yoga – doch schon sehr herbeisehnten. In der letzen Woche galt es nochmal einige Lectures von Bikram zu überstehen, und auch noch 2 weitere Filmvorführungen: am Montag gab es (auf Wunsch nach „mehr Romantik“ seitens der Studenten) einen älteren Film zu sehen, der ein junges indisches Mädchen bei einem Interrail-Abenteuer durch Europa begleitete. Jedenfalls hat er so angefangen, denn nach 30 Minuten musste ich erneut aufgeben, obwohl ich den Film ganz interessant fand; ich glaube für Bollywood gilt ähnlich wie für Hollywood, dass die älteren Filme zwar weniger Special Effects, aber mehr Charme haben. Apropos Special Effects: am Mittwoch musste ich dann „KRRISH“ ein zweites Mal über mich ergehen lassen, ein Film den ich ja bereits in Woche 2 auf freiwilliger Basis gesehen hatte. Die erste Stunde des Films sah ich mir aufgrund der schönen Himalaya-Bilder nochmals an, die zweite verbrachte ich mit Dialogue-Lernen, und die dritte (mit zugezipptem OnePiece Overall) schlafend am Boden. Den Filmen gingen jeweils Vorträge von Bikram voran, die bei vielen Stöhnen hervorriefen, für mich aber sehr unterhaltsam und auch lehrreich waren. Gegen Ende des Trainings schien er nochmal richtig zur Hochform aufzulaufen - je mehr die Studenten raunzten, desto mehr schien er die Zeit auf dem Podium (eigentlich ist es ja ein bequemes Sofa) zu geniessen. „You can sleep for the rest of your life“ ermahnte er uns (zu Recht) immer wieder, und meinte dass wir ihn trotz allem vermissen würden sobald das Training zu Ende sei. Auch ich bin mir sicher dass er mir fehlen wird - ich hoffe ich treffe auch in den nächsten Monaten in den USA immer wieder Trainees, denn nur sie werden die zahlreichen Insider-Schmähs (im absichtlich brüchigen Englisch) lustig finden. Auch der Teacher’s Dialogue ist ja alles andere als grammatikalisch korrekt: es ist Bikram Yoga Language! Gerade die englischsprachigen Studenten sind beim Lernen des Dialogues oft verzweifelt, weil sie grammatikalisch falsche oder einfach nur konfuse Sätze einstudieren mussten (ein besonders schönes Beispiel: „Kick your right leg – heel forward towards the mirror, so you can turn your right foot in from the ankle towards your face, with all 5 toes turning in.“). Da hatten wir als ESL (English as Second Language)-Studenten es manchmal vielleicht sogar einfacher, da uns die falschen Sätze nicht so sauer im Magen aufstießen wie den native speakers.

Der Ruf nach „mehr Romantik“ schlug sich nicht nur im Filmprogramm, sondern auch bei der restlichen Abendgestaltung nieder. Bereits in der Vorwoche waren mir unter den Trainees einige Turteltauben aufgefallen, die ihre Zuneigung aber noch zu verschleiern versuchten; diese Woche wurde es dann recht offensichtlich und einige Pärchen waren entweder zu verliebt oder zu müde auf die Mahnungen vom Staff zu reagieren. Zwar ist Sex (im Gegensatz zu Drogen & Alkohol) nicht ausdrücklich im Teaher Training Agreement verboten, aber gerne gesehen wird es trotzdem nicht. Bikram hatte zu Beginn in typischer Manier die Parole „no touchy-touchy, no kissy-kissy, no coochie-coochie“ ausgegeben und auch Jim Kallet warnte uns, dass intime Beziehungen zu anderen Studenten das Training deutlich verkomplizieren können. Ein hässlicher Streit zwischen meinen Kollegen Jacqueline & Adam, dem ich letztes Wochenende bei der Heimfahrt aus Malibu unfreiwillig beiwohnen musste, bestätigte diese These. Zahlreiche Trainees (darunter eben auch Jacki & Adam) hatten sich bei einer Geburtstagsfeier in Santa Monica ziemlich die Kante gegeben, und aus einem nichtigen Disput im Auto wurde plötzlich ein handfester Streit. Ebenso wie mein roomie Stephen & ich haben sich auch Jacki & Adam letztendlich wieder versöhnt, und mittlerweile bin ich die negativity um mich herum auch schon gewohnt, aber dass ich mich weder davon anstecken noch ablenken liess, ist für mich eine der erfreulichsten Errungenschaften dieses Trainings. Ich wusste schon vorher dass ich ein recht geduldiger Zeitgenosse bin, aber nach diesen 9 Wochen kann ich wohl behaupten, tatsächlich belastbarer zu sein als so manch anderer. Diese Selbsterfahrung, zu beobachten wie unterschiedliche Leute in gewissen Situationen unterschiedlich reagieren, war überhaupt einer der interessantesten Aspekte des Trainings. Wann immer um mich herum geraunzt wurde, konzentrierte ich mich noch mehr auf mich selbst und behielt - vor allem seit dem Streit mit Stephen - meine Meinung für mich. Ich fand die Raunzerei lästig, wir wussten schliesslich alle dass das Training kein walk in the park wird, aber manche Leute mussten ihrem Ärger wohl gelegentlich Luft machen.

Ich hatte zwar insgesamt 4 Makeup-Klassen, aber den etwas schäbigen Brauch, für Klassen & Lectures zwar einzusignen, aber dann nicht daran teilzunehmen, habe ich nie praktiziert. Wie Bikram einmal gesagt hat, betrügt man sich dabei ohnehin selbst am meisten. Die anderen Trainees sind viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um einem solche Dinge übel zu nehmen. In der Regel – so hoffe ich zumindest - fordert sich aber jeder Trainee soweit er eben kann, das ist schliesslich auch die Philosophie bei Bikram Yoga Klassen im allgemeinen.

Geschafft haben es im Endeffekt die meisten von uns, in meiner Group 10 gab es mit Danielle Kelly aus Los Angeles nur einen einzigen Ausfall. Von mir gerne als Dani California bezeichnet, hatte sie von Anfang an Schwierigkeiten mit dem Training, sowohl körperlicher als auch mentaler Natur. Kaum ein Tag verging, ohne dass sie irgendwie auffiel: sei es durch Zuspätkommen, mangelnde Lern- und Kritikfähigkeit in den Posture Clinics, oder einfach nur schlechte Laune. Anfangs hatte ich noch Verständnis, da Typ-1-Diabetes und tägliches Pendeln (sie wohnte nicht bei uns im Hotel) das Training sicher nicht erleichtern, aber als sie die Schuld wiederholt bei anderen suchte (ihrer kaputten Insulinpumpe, dem Verkehr) und sich auch nicht helfen liess (es wurde ihr nahegelegt am Samstag auch mal im Hotel zu bleiben um mit anderen Trainees zu lernen, aber sie brauste spätestens nach der Samstagvormittagklasse mit ihrem Bike ins Wochenende), war ich froh als sie nach Woche 3 oder 4 schlussendlich das Handtuch warf und unsere Gruppe um 1 Person dezimierte.

Am Mittwoch entfiel überraschend die 17h Klasse, da der International Ballroom des Radisson (welcher als unser Hotroom fungierte) für die Abschlusszeremonie vorbereitet werden musste, worüber wir natürlich nicht unglücklich waren. Stattdessen gab es mittags eine Advanced Class mit Bikram & Emmy, bei der wir zusehen durften. Die Bikram Yoga Advanced Series besteht aus einer grossen Anzahl an Übungen, beinhaltet einige klassische Yogapositionen wie den Kopfstand, Lotussitz oder Skorpion, ist aber nur für sehr Geübte Yogis zu empfehlen (es sei denn, man ist sehr beweglich). Es war amüsant einmal Bikram selbst bei seiner Praxis zusehen zu können (von seinen besten Tagen ist er natürlich weit entfernt, aber er nimmt es mit Humor und Gelassenheit) und seine verbalen Scharmützel mit Emmy (die beiden schenken sich nichts) sorgten für zusätzliche Unterhaltung; vor allem aber gefiel mir dass ich einmal beim Yoga nur zusehen und nicht selbst mitmachen musste!


Am Donnerstag war es dann soweit: nach einer überlangen, aber auch sehr lehrreichen Vorlesung von Bikram (in welcher er die Benefits und Knackpunkte jeder Asana erläuterte) begann um 19:00 mit zwei Stunden Verspätung meine 95. (in Worten: fünfundneunzigste) Yogaklasse des Trainings! Die Verspätung kam wie gerufen, denn meine beiden Freunde Dieter Reidinger & Martin Kofler waren erst am Nachmittag aus San Diego aufgebrochen und schafften es erst um Punkt 17 Uhr ins Hotel – das wäre sich also nicht mehr ausgegangen. Und in eine Bikram Yoga Klasse soll man sich nach Möglichkeit auch nicht hetzen müssen, das weiss ich aus eigener Erfahrungen und hätte es den beiden nur ungern zugemutet. So aber konnten sie noch ein wenig am Pool entspannen, bevor sie (zum ersten Mal überhaupt!) eine Bikram Torture Chamber betraten… ich hatte sie bewusst nicht übermässig darauf vorbereitet; die erste Bikram Yoga Klasse ist – egal wieviel Sport man in seinem Leben schon gemacht hat (ich spreche aus Erfahrung!) ein völlig neuartiges Erlebnis, das man meiner Meinung nach möglichst unvoreingenommen in Angriff nehmen sollte. Wenn man dann noch von Bikram persönlich unterrichtet wird, und den Raum mit knapp 600 euphorischen (weil kurz vor der Zertifizierung stehenden) Teacher Trainees teilen muss/darf, kann man sich wirklich um ein unvergessliches Erlebnis reicher fühlen. Dieter wollte ja ursprünglich gar nichts zu trinken mit in den Raum nehmen, aber ich versorgte die beiden natürlich mit Wasser, Matte & Handtuch und bezog auch neben ihnen im Raum Position. Beide hielten sich äusserst tapfer (Dieter sogar trotz verstauchtem Knöchel) und entgegen anderslautender Ankündigungen verliessen sie den Raum auch nicht vorzeitig (im Gegensatz zu einer beträchtlichen Anzahl an Trainees). Es war natürlich eine sehr schweisstreibende Angelegenheit, da die grosse Anzahl an Praktizierenden die Luftfeuchtigkeit in die Höhe schiessen liess, aber die Temperatur war diesmal einigermassen erträglich Vor allem nahm Bikram auf die zahlreichen Gäste Rücksicht, liess die Asanas nie länger als notwendig halten, und nahm auch nur selten seine gefürchteten Korrekturen vor (bei denen er uns einzelne Asanas entweder wesentlich länger als üblich halten lässt, weil er währenddessen jemanden korrigiert oder – wenn der/diejenige ein besonders hoffnungsloser Fall ist - überhaupt gleich ein weiteres Set anhängt). Er absolvierte die Klasse in nur 87 Minuten, was knapp unter der Standardzeit von 90 Minuten liegt, und für ihn schon fast lächerlich kurz ist! Dass es für uns trotzdem gereicht hat, zeigt dieses Foto:


Am selben Abend durfte ich dann auch noch seiner letzten Vorlesung lauschen, in der er die restlichen Übungen der „26 & 2“ (eine liebevolle Kurzbezeichnung für seine markengeschützte Bikram Yoga Sequence) durchnahm und uns ausserdem in eine neue Atemtechnik einführte: Shitali Breathing, eine etwas reduzierte Form des Pranayama, die sich besonders zur Meditation eignet.

Am Freitag durften wir dann alle unser lang ersehntes & schwer verdientes Teacher’s Certificate in Empfang nehmen. Die Graduation war ganz nach meinem Geschmack: stimmungsvoll und unserer Leistung würdig, aber auch nicht überlang. Eröffnet wurde sie von Bikrams Tochter Laju Choudhury, die dann das Mikrophon an ihre Mutter Rajashree übergab, welche uns auf wärmste & herzlichste Art in der Bikram Yoga Family willkommen hiess. Danach durften wir bei abgedunkeltem Raum den Worten von Bikram’s verstorbenem Guru Bishnu Charan Ghosh lauschen – eine vor vielen Jahren in Japan aufgezeichnete Rede wurde per Lautsprecher eingespielt. Bishnu Ghosh war Ingenieur, Arzt und einer der angesehensten Physical Culturists des 20. Jahrhunderts, Mitglied des Olympischen Komitees in Indien, und Veranstalter der ersten Mister Universe Contests in den USA. Er beschäftigte sich intensiv mit den Auswirkungen von Yoga & Krafttraining auf den menschlichen Körper, und kombinierte diese beiden Disziplinen auch in seinem Bishnu Ghosh College in Kalkutta. Auch Bikram selbst war ja nicht nur 3-facher landesweiter Yoga-Champion, sondern auch erfolgreicher Gewichthebe (bis er sein Knie mit einer 120 kg Langhantel zerschmetterte…). Ohne Bishnu Ghosh gäbe es also nicht nur kein Bikram Yoga; auch Bikram Choudhury’s Leben hätte einen wohl völlig anderen Lauf genommen. Er betont ja immer wieder dass er seinem Guru alles zu verdanken hat, und dass der Aufbau seines Imperiums nichts anderes sei als Karma Yoga – die Aufgabe die ihm sein Guru vor vielen Jahren aufgetragen hat, nämlich Yoga um die Welt zu tragen. Im Anschluss an Bishnu Ghosh’s Rede (die auch heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren hat) gab es eine etwa 15-minütige Demonstration der wichtigsten Bikram Yoga Übungen, die von Ida Ripley aus Vancouver & Brandy Winfield aus L.A. (ihres Zeichens amtierende Weltmeisterin; ihre Mutter absolvierte nun mit mir das Training!) stimmungsvoll choreografiert und von ca. 20 unserer besten Yogis & Yoginis perfekt umgesetzt wurde.


Nach der Vorführung kam dann Bikram zu Wort und schaffte es wieder einmal sein Publikum zu fesseln, wenngleich seine Rede ziemlich lang ausfiel. Ich denke die Besucher bekamen einen guten Vorgeschmack wie eine Vorlesung mit ihm aussehen kann... jedenfalls wurden danach die Teacher's Certificates überreicht, und auch ich hatte meine paar Sekunden Intimität mit dem "Boss" - nochmal: er wird mir fehlen!

Nun bin ich also offiziell "Bikram Yoga Teacher"! Allerdings fühle ich mich noch nicht als solcher, denn das Teacher's Degree ist lediglich die Eintrittskarte - zum Lehrer wird man erst durchs Unterrichten, und ich bin einerseits schon etwas nervös, andererseits freue ich mich schon sehr darauf und möchte meine ersten Klassen möglichst bald hinter mich bringen. Derzeit sieht es so aus als ob sich in San Francisco dazu die Möglichkeit ergeben könnte. Das wäre grossartig, denn dann könnte ich auch meine Freundin Kati als moralische Unterstützung in der Klasse haben, da sie mich ja Ende Juni besuchen kommt und wir gemeinsam 2 Wochen Urlaub in der Bay Area und am Pacific Coast Highway machen werden. Wir werden dabei sicher auch einige andere Yoga Studios abklappern (Monterey, San Jose, Petaluma...) und vielleicht bietet sich ja auch anderswo noch die Gelegenheit mir die Hörner abzustossen. Stay tuned for details!

Kommentare

  1. Du wirst den Leuten hoffentlich jetzt sehr oft beim Yoga zusehen dürfen! ;) *<(")

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Grosser Galtenberg, höchster Berg im Alpbachtal

5 months & 5 concerts in Norway

Kuhle Kuhljochspitze